Eine ganz normale Familie

Ein Vater, zwei Mütter, drei Kinder (7, 8 und 4) und das alles nicht einmal in einer Großstadt. Das hört sich sicher für viele sehr ungewöhnlich an, für uns ist es aber eben unser ganz normales Leben und das seit dreizehn Jahren. Wir leben in einer glücklichen und großen Familie, mein Partner Dirk hat ein eigenes Ingenieurbüro, meine Partnerin Yvonne kümmert sich um den Haushalt und unsere Kinder und ich bin Ärztin in einem Krankenhaus. Wir sind sportlich aktiv, reisen gerne und müssen unseren Lebensstil nicht verstecken.

Wie alles begann
Zuerst waren nur Dirk und ich ein Paar und wir suchten eine Frau, die mit uns dauerhaft spielen wollte. Zu diesem Zeitpunkt führten wir noch eine Fernbeziehung und sahen uns vor allem am Wochenende. Wir fanden eine Frau, die in Dirks Nähe wohnte und irgendwie entwickelte sich daraus binnen einiger Wochen von allen Seiten mehr. Als dann das Thema Zusammenziehen bei uns aufkam, stand es irgendwie schnell fest, wir würden alle gerne zusammen unter einem Dach leben.

Liebe
Für mich war Yvonne niemand, der mir Dirk wegnehmen wollte, sie war vielmehr eine Geliebte und irgendwie auch eine Art vertraute Schwester. Dass wirklich Liebe aus unserer Beziehung erwachsen könnte, hätte ich anfangs nicht gedacht, aber inzwischen liebe ich nicht nur Dirk, sondern genauso meine Yvonne. Jede Beziehung geht durch Höhen und Tiefen und natürlich gab es solche auch bei uns. Unsere Dreiecksbeziehung ist aber viel stabiler als alle Beziehungen, die ich vorher geführt habe. Ich werde geliebt, liebe, teile mein Leben, Freude, Kummer und vieles mehr. Manches ist mit Dirk intensiver, anderes eben mit Yvonne. Früher wollte ich immer alles in einem Mann haben: Partner, harter und sanfter Liebhaber, Vertrauter, bester Freund, Shoppingbegleitung, usw. Nun habe ich all das, nur eben nicht immer nur mit einer Person. Sie sind mein bester Freund und meine beste Freundin, ich teile fast alles mit ihnen, aber es gibt auch Unterschiede. Ich schätze Yvonnes sanfte Intimität und ihr Gespür für Stimmungen. Das ist etwas, das Dirk mir so wohl nie geben könnte. Dafür bekommt er mich in den Griff, kann mir den Kopf waschen und ich genieße es sehr, seine Dominanz zu spüren. Sie beide ergänzen mich so, wie es einer allein gar nicht könnte. Ich kenne sehr viele Paare, deren Ehe nicht gehalten hat. Wir leben inzwischen seit gut 13 Jahren glücklich miteinander und auch wenn sich unser Leben und unsere Liebe verändert haben, so sind wir eine Einheit, in der sich jeder auf den anderen verlassen kann.

BDSM
Einen wirklichen Switcher haben wir nicht unter uns. Bei uns ist die Hierarchie seit den ersten Tagen geklärt. Dirk ist unser Herr und wir sind seine Subs. Ambitionen, die andere zu dominieren, haben wir beide nicht wirklich entwickelt. Ab und an, gerade wenn wir ohne Dirk eine Bondagesession haben, schlüpft einer von uns mal in die dominante Rolle, aber das ist eigentlich nur Spaß und hat nichts mit dem zu tun, was wir drei unter echter Dominanz verstehen.

Der Stellenwert von BDSM ist bei uns, seit dem wir Kinder haben, zurückgegangen und unsere Art, es auszuleben hat sich natürlich damit einhergehend verändert. Dies ist aber eine ganz natürliche Entwicklung, auch bei anderen Eltern die ich kenne, hat das Sexleben gelitten nachdem sie eben nicht mehr allein waren.

Früher hatten wir ein Spielzimmer direkt neben unserem Schlafzimmer, dort schlafen nun unsere beiden Großen und wir sind in eine abschließbare Kammer unter dem Dach ausgewichen, wobei wir eigentlich im ganzen Haus gerne spielen, wenn unsere Kids mal alle außer Hause sind. Im Alltag versuchen wir, unser Machtgefälle den Kindern gegenüber nicht zu zeigen und aus dem Befehlston, den Dirk früher immer angeschlagen hat, sind inzwischen höfliche Bitten geworden. Aber jede von uns weiß, was später geschehen würde, kämen wir dieser „Bitte“ nicht zügig nach ;-)

Andere Mitspieler sind inzwischen eher selten geworden. Vor den Kindern hatten wir regelmäßig mal eine weitere devote Person (zumeist, aber nicht immer Frauen) bei uns, das kommt inzwischen nur noch drei- oder viermal im Jahr vor. Wir werden älter und als Elternteil werden wir scheinbar auch in dieser Hinsicht etwas braver.

Einen Unterschied gibt es zudem noch, wir haben früher sehr viel zu dritt gespielt, inzwischen ist es zu zweit häufiger. Einer, und das kann durchaus auch Dirk sein, schnappt sich die Kids und die anderen beiden haben dann daheim sturmfrei. :-D Wieder ein Vorteil in unserer Beziehungskonstellation.

Mit Dirk genieße ich die Erniedrigung und auch den Lustschmerz sehr intensiv. Wenn ich hingegen mit Yvonne spiele, so ist es mehr ein Tanz der Lust, weit weniger direkt und explosiv und sehr häufig mit Bondage und einer Zunge oder Finger, welche die Lustpunkte viel besser kennen, als es wohl für einen Mann jemals möglich sein wird.

Kinder
Nach einigen Jahren der Beziehung kam bei Yvonne und mir der Wunsch auf, Kinder zu haben. Wir beredeten den Wunsch erst einmal miteinander und waren sehr glücklich, als wir merkten, auch die andere denkt so wie ich. So konnten wir Dirk eines schönen Abends zusammen mit unserem Wunsch nach Kindern überraschen. Dies war wohl die einzige Situation, in der Dirk zumindest kurzzeitig etwas überfordert war. Auch er wollte Kinder, aber wahrscheinlich dachte er, wir würden uns noch etwas Zeit lassen. Ich war ja gerade mitten in meiner Facharztausbildung und er hatte sich erst zwei Jahre zuvor mit seinem Ingenieurbüro selbstständig gemacht. Unser Plan war es, zusammen schwanger zu werden, dies klappte leider nicht. Yvonne wurde bereits nach kurzer Zeit schwanger, bei mir dauerte dies noch weitere fünf Jahre. Auch wenn ich alle unsere Kinder als meine ansehe, so war das doch nicht ganz so leicht für mich. Ob es in einer Zweierbeziehung indes leichter gewesen wäre, weiß ich nicht. Ich kenne zwei Frauen, die auch schon lange aber leider erfolglos versuchen, schwanger zu werden. Daher ist mir dieser Leidensdruck durchaus bewusst und ich habe mich in der Zeit eben dennoch sehr über unsere beiden Jungs gefreut. Als ich dann schwanger wurde, hatte ich eigentlich bereits mit dem Thema abgeschlossen. Vielleicht war dieser entspannte Umgang und der fehlende Druck durch die beiden Jungs einfach unser Erfolgsrezept.

Unsere Kinder gehen mit der Situation vollkommen natürlich um. Bisher konnte niemand einen Entwicklungsmangel feststellen und weder im Kindergarten noch in der Grundschule gab es wirkliche Hänseleien.

Was viel mehr ein Problem ist, ist die rechtliche Situation. Ich sehe die beiden Jungs als meine Jungs an, aber der Staat verhindert hier eine tragbare Lösung der Rechtsbeziehung. Dazu aber später mehr.

Outing
Viele von euch glauben sicher, dass es total kompliziert ist, eine solche Beziehung zu führen - ist es aber gar nicht. Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen und Mannschaftskameraden, all diese reagieren zumeist mit großer Neugier wenn sie von unserem Beziehungsleben erfahren. Dies liegt aber vielleicht auch an uns, da wir sehr unverkrampft sind und unser privates Umfeld eine recht liberale Einstellung hat. Wir verstecken uns somit nicht und Liebe sollte sich auch nie verstecken müssen. Einzig bei den Verwandten hatte ich damals sehr lange Zeit größere Bedenken, mich zu outen. Meine Eltern wohnen gut 400 Kilometer entfernt und in den ersten zwei Jahren wussten sie nur, dass ich mit Dirk eine Beziehung führe. Wegen der Entfernung kamen sie uns aber in der Zeit lediglich viermal besuchen und Yvonne war dann immer so lieb, zu ihren Eltern zu fahren oder ein Wellnesswochenende zu genießen. Um ganz sicher zu gehen, hatten meine Verwandten auch nicht unsere eigentliche Telefonnummer, sondern eine, die nur für sie bestimmt war. Wenn ich daran denke, wie viel Energie ich darauf verwandt habe, dass sie nichts erfahren (alle Dinge die auf sie hinweisen konnten wurden in Kisten gepackt und auf dem Dachboden gebracht), muss ich heute noch lachen. Als ich mich dann doch zu dem familiären Outing entschlossen hatte, weihte ich zuerst meine Schwester ein und erst danach meine Eltern. Letztere nahmen es erst einmal nicht ganz so gut auf und waren auf Dirk eine Zeit lang nicht sonderlich gut zu sprechen, sie meinten, er würde uns beide ausnutzen. Das Eis brach ein halbes Jahr später, als sie uns besuchten und dabei auch Yvonne kennen lernten. Sie spürten wohl zum ersten Mal die Harmonie zwischen uns und sie schlossen auch sie sehr schnell ins Herz. Nur beim Thema Kinder stellte meine Mutter immer mal wieder kritische Fragen, die erst verstummten, als ich selber vor einigen Jahren schwanger war.

Rechtliche Diskriminierung
Rechtlich und eben nicht gesellschaftlich fühle ich mich durchaus diskriminiert. Als Yvonne zum zweiten Mal schwanger wurde, haben wir uns dazu entschieden, dass Yvonne und Dirk heiraten werden, eben auch damit die Kinder optimal abgesichert sind. Später kam dann meine Tochter und ich gelte amtlich nunmehr als alleinerziehend. Unser Staat akzeptiert bei der Sozialhilfe und bei Asylanträgen die Vielehe. Wenn ein Asylant zwei Frauen hat, gelten diese als Familie und ehrlich gesagt wird dort häufig nur der Mann eine Liebesbeziehung mit den Frauen, diese aber kaum untereinander eine führen. Auch ist es für homosexuelle Paare möglich, eine Lebenspartnerschaft einzugehen. Da wir zwei solcher Paare in unserem Freundeskreis haben, weiß ich was ihnen dies bedeutet und welche Vorteile sie daraus ziehen können. Da Dirk und Yvonne offiziell verheiratet sind, kann ich weder mit dem einen noch mit dem anderen eine Lebenspartnerschaft/Ehe eingehen. Faktisch bedeutet dies, dass im Falle eines schweren Unfalls meine Eltern und nicht meine Partner von den Ärzten gefragt werden würden, wie zu verfahren sei, wenn ich nicht ansprechbar wäre. Ich habe versucht, dies soweit es geht mit einer guten Patientenverfügung zu kompensieren.

Als eine Freundin, die in einer lesbischen Beziehung lebt, schwanger war, konnte ihre Lebensgefährtin sie jederzeit im Krankenhaus besuchen. Ich hätte dies eigentlich nicht gedurft. Nur da ich selber in dem Krankenhaus arbeite, in dem Yvonne und ich unsere Kinder zur Welt gebracht haben, ging es zum Glück dennoch.

Finanziell hätte für uns eine Dreierlebenspartnerschaft übrigens keine großen Vorteile. Dirk verdient bei uns am besten und Yvonne als Hausfrau verdient nichts. Durch ihre Ehe haben wir also durchaus auch steuerliche Vorteile. Wäre ich und nicht sie aber zuerst zweimal schwanger geworden, so hätten wir trotz unserer Kinder erhebliche steuerliche Nachteile.

Es ist kein Sozialneid, aber wir haben als Familie drei Kinder in die Welt gesetzt und so Gott will, werden diese später rechtschaffene und gute Bürger werden. Der Staat schützt die Familie im Besonderen. Wir leben in einer großen Familie und es kann durchaus sein, dass es irgendwann noch ein Kind geben wird. Ich kenne aber kein schwules Paar, das Kinder hat. Der Staat unterstützt mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft also Beziehungen, die gar nicht dem Fortbestand des Staates dienen und nichts mit der Ehe zu tun haben. Unter diesem Aspekt kann ich es nicht nachvollziehen, warum wir nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben können. Aber wir haben Hoffnungen, dass sich auch das irgendwann ändert. In den Niederlanden ist eine eingetragene Lebenspartnerschaft inzwischen auch für drei Personen möglich und in Kanada darf ein Kind offiziell vier Elternteile haben. Die Niederlande waren uns bei den Rechten Homosexueller gut zehn Jahre voraus und ich denke, dies wird bei der Mehrpartnerschaft ähnlich sein.

 

Gentledom Gedanken zur Offenheit dem Lebensmodell gegenüber und weiterer Artikel zur Polyamorie

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